Weibliche Führung – Geheimwaffe Zusammenarbeit

Über 20 Jahre als weibliche Führungskraft in der Tech-Branche

Noch immer müssen sich Frauen in Führungspositionen stetig neu beweisen und das besonders in vermeintlich männlichen Berufen und Branchen. Unsere Gastautorin Myriam Recha erzählt uns daher über 20 Jahre als weibliche Führungskraft in der Telekommunikationsbranche. So können sich Frauen an der Führungsspitze behaupten.

Nachdem ich in den 90er Jahren Ingenieurwesen studiert und mehrere Jahre als Ingenieurin in Spanien gearbeitet hatte, zog ich nach Deutschland und nahm eine Stelle als Projektmanagerin in einem Telekommunikationsunternehmen an. Mit diesem Schritt begann meine Führungslaufbahn in der Tech-Branche.

Nur wenige Tage nach meinem Einstieg als Projektmanagerin, gab mir mein Vorgesetzter in einem unserer Einzelgespräche erstes Feedback. Er meinte zu mir, dass ich meine Sichtbarkeit “mit meinen Eigenschaften als Frau” gegenüber den Stakeholdern erhöhen müsse. Als er dies sagte, läutete in meinem Hinterkopf ein Alarmsignal.

Was hat es damit zu tun, dass ich eine Frau bin?

Zum ersten Mal in meiner Karriere wurde mir klar, dass “Frau sein” ein Thema war. Obwohl mein Vorgesetzter diesen Rat nur positiv gemeint hat, für eine der wenigen Frauen in einem weitgehend männlichen Tech-Team, war ich verwirrt, da dies noch nie zuvor in meinem bisherigen Berufsleben zur Sprache gekommen war.

Seitdem hatte ich viele verschiedene Führungsrollen und alle möglichen Arten von Teams – große und kleine, internationale und nationale, lokale, verteilte und zentralisierte, aber immer handelte es sich dabei um überwiegend männliche Ingenieur- und Tech-Teams. Wenn ich heute zurückblicke, glaube ich mittlerweile in der Tat, dass es mir geholfen hat, mich als Frau in dieser sehr alfa-männlichen Welt der alten Schule hervorzuheben und das diese Tatsache ein wichtiger positiver Faktor in meiner Karriere war. Der Preis dafür: manchmal war mein Karrierepfad wesentlich herausfordernder und komplizierter, als der meiner männlichen Kollegen.

Wenn ich mit Freundinnen, Kolleginnen und Mentorinnen spreche, die ebenfalls Führungspositionen in Tech-Unternehmen einnehmen, bemerke ich, dass wir alle sehr ähnliche Geschichte zu erzählen haben. Wir alle mussten die Hürden überwinden, die damit einhergehen, dass man als Frau in einer klassischen Unternehmenskultur und mehr noch in den technischen Abteilungen anders ist – es wird nicht zugehört, man hat das Gefühl etwas zu verpassen, nicht ernst genommen zu werden, das Gefühl ausgeschlossen zu werden, keine verdiente Beförderung zu bekommen, unter dem Impostor-Syndrom zu leiden usw.

Dennoch haben sich all diese Frauen durchgeschlagen!

Sie sind erfolgreich, sie werden von ihren Kollegen und ihren Teams anerkannt, werden für ihre Führungsqualitäten geschätzt und sie sind aus diesen Erfahrungen viel stärker geworden. Sie haben die Frustration, die sie aufgrund der geschlechtsspezifischen Voreingenommenheit erlebt haben, in eine zusätzliche Dosis Entschlossenheit zum Erfolg umgewandelt.

Und was ist das Geheimnis ihres Erfolgs?

Ich bin an dieser Stelle sicher – jeder hat ein anderes Rezept und verschiedene Führungsstile, aber eine Gemeinsamkeit habe ich bei vielen weiblichen Führungskräften festgestellt. Sie sind Teamplayer und setzen auf Zusammenarbeit. Wenn erfolgreiche Frauen vor einem Problem stehen, entscheiden sie sich dazu den pragmatischen Ansatz “let’s solve it together” zu wählen.

Wenn man diesen Ansatz wirklich nicht nur mit Worten verfolgt, kann man eine Unternehmenskultur, wie sie bislang gehandhabt wurden, nachhaltig verändern. Es gibt nichts, was den Status quo mehr verändert als echte, offene Bereitschaft zur Zusammenarbeit, egal ob abteilungs- und teamübergreifend, ja sogar unternehmensübergreifend oder mit Kunden. Es erfordert Mut, Informationen auszutauschen, sich gegenseitig zu helfen, großzügig zu sein und wirklich zu geben, nicht nur zu nehmen. Zwar würde praktisch jeder behaupten, dass er dies immer tut, aber ich stelle fest, dass es häufig Frauen sind, die sich das zutrauen und auch umsetzen.

Auch ich habe diese Form der Zusammenarbeit in meinen Jahren als Managerin zunehmend praktiziert, manchmal sogar auf fast provokative Weise, um einige der noch verbliebenen, von Angst getriebenen Verhaltensweisen in Frage zu stellen, die es in der Unternehmenswelt immer noch gibt. Obwohl dies manchmal von anderen und sogar von mir selbst als Schwäche (zu weich, zu nett sein) interpretiert wurde, glaube ich jetzt, dass es wirklich eine Geheimwaffe der weiblichen Führung ist: Zusammenarbeit.

Über unsere Gastautorin​

Myriam Recha | Technologiemanagerin

Myriam Recha ist Technologiemanagerin mit langjähriger Erfahrung in der Telekommunikationsbranche. In den letzten 15 Jahren hatte sie bei Vodafone sowohl international als auch in Deutschland verschiedene leitende Funktionen im Bereich der Netztechnik und Technologieinnovation inne.