Richtig gendern bei Active Sourcing & Stellenanzeige

Psychologiestudentin und Searchtalent Recruiterin Marie erklärt, warum die geschlechtersensible Formulierung von Anschreiben und Stellenanzeigen so wichtig ist.

Richtig gendern bei Active Sourcing & Stellenanzeige

Der richtige und korrekte Kontakt zu den BewerberInnen – für alle Personaler und Recruiter ein wichtiges Thema, aber warum eigentlich gendern beim Active Sourcing und den Stellenanzeigen? Psychologiestudentin und  Searchtalent Recruiterin Marie erklärt, warum die geschlechtersensible Formulierung von Anschreiben und Stellenanzeigen so wichtig ist.

Herausforderung Ansprache gendern – Wie mache ich es richtig?​

Mit Active Sourcing bin ich zum ersten Mal während meines Praktikums in einer Berliner Personalberatungsagentur in Kontakt gekommen. Die Suche und anschließende Direktansprache geeigneter Bewerber:innen über Karrierenetzwerke, wie XING oder LinkedIn, birgen in jeder Phase ihre eigenen Herausforderungen. Insbesondere die geschickte Formulierung eines passenden Anschreibens, wenn ausbleibende oder negative Reaktionen seitens der Bewerber:innen vermieden werden sollen. Die Problematik ist wohl allen Recruiter:innen bekannt – sind potenzielle Bewerber:innen als Konsequenz des Anschreibens erst einmal verärgert, abgeschreckt o.ä., ist es schwierig, sie noch für die zu besetzende Vakanz zu begeistern. Noch problematischer wird es, wenn sich die Präsenz der Zielgruppe für die zu besetzenden Vakanz auf den Karrierenetzwerken in Grenzen hält.

Die Adressat:innenorientierung eines Textes​

Entscheidend für die Rücklaufquote kann das Ausmaß an Adressat:innenorientierung des Anschreibens sein, das heißt, inwiefern sich der Text und die darin verwendeten Sätze und Wörter nach dem / der Adressat:in richten. Bei der Formulierung eines adressat:innenorientierten Textes muss sich der / die Schreibende verschiedene Fragen stellen – darunter auch die relevanteste:

Wer ist der / die Adressat:in bzw. die Adressat:innengruppe und wie spreche ich diese angemessen an?

Ein praktisches Anwendungsbeispiel zu dieser Frage, ist die Berücksichtigung der Branche und Organisationsstruktur des Unternehmens der Kandidat:innen. So führt beim Active Sourcing in der Informationstechnologie und in Unternehmen mit flachen Hierarchien, wie Start-Ups, erfahrungsgemäß eher ein Anschreiben mit informeller Anrede per duzen und Vorname als formelle Anrede zu positiven Rückmeldungen.

Die Relevanz des Geschlechts bei der Ansprache von Kandidat:innen

Doch einer wichtigen Eigenschaft des Adressaten wird bislang noch zu wenig Aufmerksamkeit zugewandt – dem Geschlecht. In der Mehrheit der Stellenanzeigen wird das generische Maskulinum mit einem Zusatz, wie beispielsweise (m/w/d), zur Ausschreibung benutzt. Obgleich durch Hinzufügen des Zusatzes nach AGG geschlechsneutral und somit nicht diskriminierend, wird explizit nur die männliche Berufsbezeichnung genannt. Wie weitreichend die Auswirkungen dessen sind, zeigt beispielsweise die Studie von Stahlberg und Sczesny, die eine geringere mentale Repräsentation von Frauen bei Verwendung des generischen Maskulinums (z.B. Studenten) im Vergleich zur Nennung beider Geschlechter (z.B. Studentinnen und Studenten) oder des Binnen-Is (z.B. StudentInnen) belegte. Doch was genau versteht man unter mentaler Repräsentation und wieso ist dies von Bedeutung?

Als mentale Repräsentation wird die geistige Abbildung von Reizen aus der Umwelt bezeichnet. In der Studie von Stahlberg und Sczesny drückte sich die geringere mentale Repräsentation von Frauen bei Verwendung des generischen Maskulinums beispielsweise durch signifikant häufigere Nennung von männlichen Personen als Antwort auf die Frage nach prominenten Persönlichkeiten aus – Frauen wurden gedanklich also weniger berücksichtigt.

Konsequenzen des generischen Maskulinums auf den Recruiting-Prozess​

Das generische Maskulinum in Stellenanzeigen hindert Frauen an einer Bewerbung. Empirisch gestützt werden kann diese These beispielsweise durch die Studie von Peus, Braun, Hentschel und Frey, in der weibliche Proband:innen ein geringeres Interesse an eher männlichen im Vergleich zu eher weiblichen oder neutralen Stellenanzeigen zeigten. Zur Assoziation einer Stellenanzeige als eher männlich oder weiblich trugen, neben der Form der Berufsbezeichnung, auch die verwendeten Adjektive bei. So wurden Begriffe wie „unabhängig“, „dominant“ oder „stark“ eher mit Männern, Begriffe wie „kooperationsfähig“, „engagiert“ oder „kommunikativ“ eher mit Frauen in Zusammenhang gebracht.

Geschlechtersensible Formulierung von Anschreiben und Stellenanzeigen​

Da es ein zentraler Anspruch von Stellenanzeigen – und folglich auch Anschreiben – sein sollte, alle Geschlechter gleichermaßen anzusprechen und zu einer Bewerbung zu motivieren, ist es wichtig, sich bei der Formulierung an bestimmte Richtlinien zu halten. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt, die vakante Position neutral oder, sollte dies nicht möglich sein, mittels des Gender-Sternchens oder Gender Gaps auszuschreiben.

Darüber hinaus sollten auch die erforderliche Qualifikationen geschlechtsneutral formuliert werden (z.B. „Studium der Psychologie“ anstelle von „Abschluss als Psychologe“) und, wie bereits erwähnt, männlich und weiblich assoziierte Begriffe ausgewogen verwendet werden. Wenn Fotos hinzugefügt werden, sollte die gezeigte Personengruppe so heterogen wie möglich sein – junge und alte Menschen verschiedenen Geschlechts, verschiedener ethnischer Herkunft und mit Behinderung.

Warum richtig gendern wichtig ist​

Maßnahmen geschlechtersensibler Sprache meinen das weibliche Geschlecht nicht nur, sondern nennen dieses explizit. Da Sprache einen enormen Einfluss auf Denken und Handeln hat, wird so mehr Nähe zur kontaktierten Person erzeugt, welche sich positiv auf den Recruitingprozess auswirkt. Für die Zukunft stellt sich die Frage, ob die Veränderung unseres sprachlichen Handelns auch eine nachhaltige Veränderung unserer inneren Einstellungen mit sich zieht. Die Nutzung einer gendergerechten Sprache allein aufgrund der Erfordernisse der Gegenwart scheint langfristig zu wenig, wenn nicht auch eine umfassende Veränderung unseres Denkens und unserer inneren Einstellungen passiert. Es wäre wünschenswert, wenn die Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den Geschlechtern so selbstverständlich sein würde, dass sich die Nutzung von Zeichen von political correctness verselbstständigt.

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